Einführung von Grenzkontrollen an allen deutschen Landgrenzen

Wie am 9. September 2024 bekannt wurde, plant die Bundesregierung die Einführung von Grenzkontrollen an allen deutschen Landgrenzen und die Ausweitung der Zurückweisungen zum 16. September 2024. Die weiteren Entwicklungen werden an dieser Stelle fortlaufend dokumentiert.

UPDATE (11. September 2024): Wir beenden den Newsticker. Wir werden hier aber weiterhin Presseartikel archivieren, die uns lesenswert erscheinen. Sobald weitere belastbare Informationen zur konkreten Umsetzung der neu eingeführten Grenzverfahren vorliegen, werden wir sie an dieser Stelle ebenfalls veröffentlichen.

  • Reuters vom 16.09.2024: Germany reintroduces border checks to curb migration, experts question long-term impact.
  • Tagesschau vom 16.09.202: Was sich mit den neuen Grenzkontrollen ändert.
  • Die Tageszeitung vom 16.09.2024: Bitte einmal den Kofferraum öffnen.
  • Süddeutsche Zeitung vom 15.09.2024: Faeser verspricht: keine langen Staus durch Grenzkontrollen.
  • Süddeutsche Zeitung vom 13.09.2024: Der verpatzte Schulterschluss.
  • Süddeutsche Zeitung vom 13.09.2024 (Paywall): Das hat uns gerade noch gefehlt.
  • The Guardian vom 13.9.2024: Germany’s border clampdown threatens the entire European project.
  • Medio-Interview mit Prof. Max Pichl vom 13.09.2024: „Wir überschreiten einen Kipppunkt“.
  • Verfassungsblog vom 13.09.2024: Auf Europablindflug in der Asyldebatte.
  • Spiegel vom 13.09.2024 (Paywall): Wie Friedrich Merz eine große Chance verstreichen ließ.
  • Die Zeit vom 12.09.2024: Merz schlägt zeitweise Zurückweisung an Grenzen vor.
  • Süddeutsche Zeitung vom 12.09.2024: Die Bundesregierung versäumt es, ihre Migrationspolitik mit Europa abzustimmen.
  • Spiegel vom 12.09.2024 (Paywall): Name, Anschrift, Fangfrage.
  • Süddeutsche Zeitung vom 12.09.2024: Die bemerkenswerte Wandlung der Nancy Faeser.
  • Spiegel vom 11.09.2024 (Paywall): Ampel wollte Maximalforderung der Union akzeptieren.
  • Süddeutsche Zeitung vom 11.09.2024: Wie geht es weiter an Deutschlands Grenzen?
  • Spiegel vom 11.09.2024 (Paywall): So dramatisch beschreibt Innenministerin Faeser die Lage an den Grenzen.
  • Tagesschau vom 10.09.2024: Wie laufen die schnelleren Grenzverfahren ab?
  • Die Tageszeitung vom 10.09.2024: Faeser setzt auf Schnellverfahren.
  • Süddeutsche Zeitung vom 10.09.2024: Angst vor dem Dominoeffekt.
  • Süddeutsche Zeitung vom 10.09.2024: Zurückweisungen. So einfach geht das nicht.
  • NDR-Interview mit Prof. Max Pichl vom 10.09.2024: Migrationsdebatte wird unverantwortlich geführt
  • Die Zeit vom 10.09.2024: Grenzkontrollen müssen laut EU-Kommission „absolute Ausnahme“ bleiben.
  • Bayerischer Rundfunk vom 10.09.2024: Mehr Grenzkontrollen. Was ist im Schengen-Raum möglich?


Dienstag, 10. September 2024:

18.40 Uhr: Auf einer Pressekonferenz gaben Faeser, Buschmann und Baerbock bekannt, dass es keine Zurückweisungen unter Berufung auf Art. 72 AEUV (Ausrufung einer »nationalen Notlage«) geben werde. Stattdessen sollen Grenzverfahren eingeführt werden, in denen die Bundespolizei in Zusammenarbeit mit dem BAMF innerhalb von fünf Wochen beschleunigte Dublin-Verfahren durchführen soll. Ob die Betroffenen in dieser Zeit inhaftiert oder beispielsweise in abgetrennten Bereichen von Erstaufnahmeeinrichtungen untergebracht werden, wurde auf der Pressekonferenz nicht ganz klar. Vermutlich wird es beides oder eine Mischform geben. Buschmann verwies zudem ausdrücklich auf die Verwaltungsgerichte (insbesondere VG München, siehe Meldung von 12.30 Uhr), die auf die Einhaltung der Dublin-Verordnung gepocht hätten. Er könne als Justizminister nicht einfach sagen, dass deutsche VGs geltendes europäisches Recht brechen sollen. Eigentlich eine banale Feststellung, für die ihm aber angesichts der aufgeheizten Stimmung dennoch Respekt gebührt.

17.40 Uhr: Der Spiegel meldet, dass das heutige Migrationstreffen zwischen Regierung und Opposition ohne Einigung zu Ende gegangen ist. Die Union erklärte die Gespräche für gescheitert.

17.30 Uhr: Es dürfte kaum überraschen, dass laut einem Artikel des Stern nun auch Polen angekündigt hat, keine Zurückweisungen aus Deutschland zu akzeptieren. Weiterhin kündigte Tusk »dringende Konsultationen« mit den anderen Nachbarstaaten Deutschlands an.

16.00 Uhr: Laut einem Artikel in der taz gibt es im Innenministerium erhebliche rechtliche Bedenken gegen eine Anwendung des Art. 72 AEUV (Ausrufung einer »nationalen Notlage«). Die taz bezieht sich offensichtlich auf folgendes Papier, das nach außen gedrungen ist:

12.30 Uhr: Es mag in Vergessenheit geraten sein, aber es gab bereits 2018 politischen Streit um Zurückweisungen an der Grenze, der fast mit dem Rücktritt des damaligen Innenministers Seehofer geendet hätte. In einem Artikel auf dem Verfassungsblog hielt die Rechtswissenschaftlerin Danna Schmalz bereits damals fest, was auch heute noch gilt:

Weshalb also stehen die Dublin-Verordnung und allgemeiner ein gemeinsames Zuständigkeitssystem der Idee entgegen, Personen an der Grenze abzuweisen? Weil es ein Verfahren gibt, in denen diese Zuständigkeitsverteilung geprüft wird. Art. 3 Dublin-Verordnung spricht von der Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz – diese Prüfung ist die inhaltliche Prüfung, ob die Personen als schutzberechtigt anerkannt ist. Diese Prüfung ist die chronologisch zweite: zunächst muss geprüft werden, welcher Mitgliedstaat für die inhaltliche Prüfung zuständig ist. Daher spricht Art. 3 Abs. 2 Dublin-Verordnung vom „die Zuständigkeit prüfende[n]“ Mitgliedstaat. Diese chronologisch erste Prüfung der Zuständigkeit möchten die „Flüchtlinge an der Grenze abweisen“-Vorschlager vermeiden. Sie ist aber Grundlage der Dublin-Verordnung: eine Zuständigkeitsregelung, bei der die Zuständigkeit nicht geprüft sondern an der Grenze vermutet wird, wäre eine Farce. Die Prüfung der Zuständigkeit ist in der Dublin-Verordnung selbstverständlich verankert, so auch explizit in den Verfahrensgarantien der Art. 4 bis 6. Und die Prüfung der Zuständigkeit ist eben unverzichtbar, um zu vermeiden, dass Flüchtlinge hin- und herverwiesen werden und kein Staat die Zuständigkeit akzeptiert.

Auch in einer Welt ohne EU-Recht wäre der Vorschlag, Personen an der Grenze ohne Verfahren abzuweisen, nicht mit dem Recht vereinbar. Im Art. 4 des von Deutschland ratifizierten IV. Zusatzprotokoll der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) findet sich das Verbot der Kollektivausweisung. Diese gilt auch für Zurückweisungen an der Grenze (so der EGMR in Fall N.D. und N.T., para. 104). Das heißt, Personen dürfen nicht pauschal abgewiesen werden, ihre individuellen Umstände müssen zur Kenntnis genommen und berücksichtigt werden. Das ist weniger als die Vorgaben der Dublin-Verordnung, welche ein spezifisches Verfahren der Zuständigkeitsprüfung verlangen. Aber bereits durch das Verbot der Kollektivausweisung wären Zurückweisungen mit vorgefertigten Begründungen, die sich nur nach der Nationalität des Asylsuchenden oder nach einem Eurodac-Treffer richten, unzulässig.

Auch das VG München stellte 2021 in einem Eilbeschluss fest, dass eine sofortige Abschiebung nach Griechenland im Rahmen des sogenannten „Seehofer-Deals“ – jener Vereinbarung mit Spanien und Griechenland zur sofortigen Rücknahme, mit der Seehofer sein Gesicht wahren wollte – rechtswidrig war, da die Dublin-Verordnung nicht einfach ausgehebelt werden darf.

11.00 Uhr: In einem bereits gestern auf dem Verfassungsblog veröffentlichten Beitrag haben die Juristen Matthias Lehnert und Robert Nestler noch einmal klargestellt, dass die Zurückweisung von Schutzsuchenden ohne Verfahren sowohl gegen das Unionssekundärrecht – namentlich die Dublin-III-Verordnung und die Asylverfahrensrichtlinie – als auch gegen die Unionsgrundrechte, die Menschenrechte und das Flüchtlingsvölkerrecht verstößt. Auch dauerhafte Binnengrenzkontrollen sind schlichtweg rechtswidrig. Weiterhin weisen die Autoren darauf hin, dass die Anwendungsvoraussetzungen des Art. 72 AEUV (Ausrufung einer »nationalen Notlage«) nicht erfüllt sind. Und selbst wenn dem so wäre, steht zu beachten, dass die in der GRC verbürgten Grundrechte hiervon nicht erfasst wären. Vor diesem Hintergrund gelangen die Autoren zu folgendem Fazit:

Wenn also jegliche rechtliche Argumente dagegen sprechen, dass Zurückweisungen unter Rückgriff auf Art. 72 AEUV zulässig sind, dann ist die Beobachtung, dass „frühestens nach ein paar Monaten der EuGH darüber urteilen [würde]“ und dies „jeder Bundesregierung einen zeitlichen Puffer [gewährte], um Tatsachen zu schaffen, die spätere Urteile nicht mehr ändern könnten“ so richtig wie gefährlich. Denn die dahinter stehende Logik lautet: Wir setzen das Recht erst einmal außer Kraft, dann kann die Judikative auch nichts mehr daran ändern. Ein solches Vorgehen offenbarte nicht nur ein fragwürdiges Verständnis von Rechtsstaat und Gewaltenteilung – es setzt die Axt an die Wurzel der Rechtsstaatlichkeit an. Denn nicht nur die Judikative, sondern „die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden“, wie Art. 20 Abs. 3 GG klarstellt. Die „Rechtsstaatlichkeit“ als ein Grundwert der EU im Sinne des Art. 2 EUV kann nicht anders verstanden werden. Doch Recht und Gesetz werden in den aktuellen Diskussionen und Planspielen mehr wie eine lästigen Fliege behandelt, die mit einem Handstreich weggefegt werden kann. Es ist dies das Primat der Politik, nicht des Rechts.

10.15 Uhr: Laut Süddeutscher Zeitung wird die Union an dem Treffen teilnehmen, zu dem die Bundesregierung eingeladen hat. Es findet um 15.00 Uhr im Bundesinnenministerium statt. Im Vorfeld machte Merz nochmal deutlich, dass die Union die faktische Abschaffung des Asylrechts in Deutschland fordert:

„Wenn die Bundesregierung möchte, dass wir diesen Weg gemeinsam gehen, dann geht es nur, wenn wir wirklich im umfassenden Umfang an den deutschen Außengrenzen zurückweisen“, betonte Merz. Umfassend bedeute für die Union, dass alle, die keinen Aufenthaltstitel hätten, den Zugang in die Bundesrepublik Deutschland nicht mehr bekommen sollten, vor allen Dingen jene nicht, die Asylanträge stellen würden, sagte der Fraktionschef.

9.30 Uhr: Der Rat für Migration veröffentlicht eine Stellungnahme unter dem Titel »Zurückweisungen an deutschen Grenzen. Eine brandgefährliche Strategie«.

Montag, 9. September 2024:

Laut Süddeutscher Zeitung hat die Bundesregierung ein aus ihrer Sicht europarechtskonformes Modell entwickelt, um Geflüchtete verstärkt an den deutschen Grenzen zurückweisen zu können. Offenbar soll dies auch für Asylsuchende gelten, was zumindest bisher nicht der Fall ist. In welchen Fällen es tatsächlich zu Zurückweisungen kommen soll und auf welcher Rechtsgrundlage diese erfolgen sollen, ist jedoch noch nicht bekannt. Auf die von CDU-Chef Friedrich Merz geforderte Ausrufung einer nationale Notlage gemäß Art. 72 AEUV will die Regierung aber offenbar nicht zurückgreifen. Auf der heutigen Pressekonferenz äußerte sich Nancy Faeser betont vage.

PK mir Nancy Faeser

Im Einzelnen führte sie aus, dass bis zur Umsetzung des GEAS verstärkte Kontrollen an den nationalen Grenzen notwendig seien, was auch verstärkte Zurückweisungen einschließe – auch wenn es seit Oktober letzten Jahres bereits 30.000 Zurückweisungen gegeben habe. Zudem habe man die EU-Kommission bereits über die Ausweitung der Grenzkontrollen informiert und ein europarechtskonformes Modell für Zurückweisungen entwickelt. Darüber sei heute die CDU/CSU-Bundestagsfraktion informiert worden, der man zeitnahe vertrauliche Gespräche, unter zusätzlicher Einbeziehung der Bundesländer, angeboten habe. Zur konkreten Rechtsgrundlage für die Ausweitung der Zurückweisungen wollte sie sich auch auf ausdrückliche Nachfrage nicht weiter äußern. Interessant ist auch, dass laut Faeser die Nachbarstaaten bisher nur informiert worden sind, eine Abstimmung mit ihnen hat bisher nicht stattgefunden.

Die Ausweitung der Zurückweisungen dürfte bei den Nachbarstaaten auf wenig Gegenliebe stoßen, und so ließ sich der österreichische Innenminister Gerhard Karner umgehend mit den Worten zitieren, Österreich werde keine aus Deutschland zurückgewiesenen Personen übernehmen. Es gebe »keinen Spielraum« und er habe den Chef der österreichischen Bundespolizei bereits angewiesen, »keine Übernahmen durchzuführen«.

Zudem wird die Bundesregierung in den kommenden Tagen mit dem Problem konfrontiert sein, dass Friedrich März wenig Interesse an einer Einigung mit der Bundesregierung zu haben scheint. Laut Spiegel (Paywall) fordert er »umfassende« Zurückweisungen an der Grenze und die Regierung solle am besten vor den morgigen Gesprächen schriftlich erklären, was genau sie in Sachen Zurückweisungen vorhabe.

Abgesehen von den absehbaren Problemen mit der Opposition und den Nachbarstaaten steht die Bundesregierung vor dem Problem, dass Zurückweisungen an der deutschen Grenze, so wie sie offenbar geplant sind, und dauerhafte Grenzkontrollen ganz offensichtlich gegen geltendes EU-Recht verstoßen. Eine ausgezeichnete Zusammenfassung der entsprechenden Rechtsprechung des EuGH findet sich in der aktuellen Ausgabe des HRRF-Newsletters.

Vor Mauern und hinter Gittern

Anlässlich des Treffens der Innen- und Justizminister*innen der EU am 5. und 6. Dezember 2023 – bei dem es ein weiteres Mal auch um die geplante Reform des »Gemeinsamen Europäischen Asylsystems« (GEAS) gehen wird – hat »terre des hommes« (tdh) eine Studie zu Kinderrechtsverletzungen an den EU-Außengrenzen veröffentlicht. Der Bericht mit dem Titel »Vor Mauern und hinter Gittern« beschreibt die bereits jetzt systematisch stattfindenden Inhaftierungen und Zurückweisungen (»Pushbacks«) von Kindern und Jugendlichen in Ungarn, Bulgarien, Griechenland und Polen und argumentiert, dass damit klare Verstöße gegen die UN-Kinderrechtskonvention einhergehen. Wie der Bericht weiter zeigt, wird die geplante Reform des GEAS nicht zu einer Verbesserung dieser unhaltbaren Situation führen. Vielmehr ist zu befürchten, dass die Kinderrechtsverletzungen an den Außengrenzen sogar noch zunehmen werden.

Situation von Geflüchteten aus der Ukraine in den Nachbarländern

Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine hat die größte Fluchtbewegung in Europa seit dem zweiten Weltkrieg ausgelöst. Im krassen Gegensatz zu den repressiven und auf Abwehr ausgerichteten Maßnahmen der EU-Länder, mit denen Geflüchtete aus anderen Ländern konfrontiert sind, herrscht bei Geflüchteten aus der Ukraine große Einigkeit in der EU: Sie sollen schnell und unbürokratisch aufgenommen werden.

Dafür wurde Anfang März 2022 erstmals in der Geschichte der EU die Richtlinie zum vorübergehenden Schutz aktiviert. Ukrainische Geflüchtete – und unter bestimmten Voraussetzungen auch Drittstaatsangehörige, die sich in der Ukraine aufgehalten haben – erhalten in einem EU-Land ihrer Wahl auf Antrag eine Aufenthaltserlaubnis, können arbeiten und Sozialleistungen beziehen.

So frei die Geflüchteten bei der Wahl des Landes sind, in dem sie den vorübergehenden Schutz beantragen, so eingeschränkt sind die Möglichkeiten, in andere EU-Länder umzuziehen, wenn der vorübergehende Schutz bereits gewährt wurde. Zwar sind Abschiebungen von einem EU-Land in ein anderes nicht vorgesehen. Aber die mit dem vorübergehenden Schutz verbundenen Rechte sollen nur in dem Land geltend gemacht werden können, das den Schutz erteilt hat.

Diese Regelungen treffen in der Praxis auf sehr dynamische Fluchtbewegungen: Die meisten Geflüchteten sind zunächst in die Nachbarländer der Ukraine geflohen, viele haben dort einen Antrag auf vorübergehenden Schutz gestellt. Immer mehr entschließen sich zu einer zumindest temporären Rückkehr in die Ukraine, viele fliehen weiter in andere EU-Länder. Die konkreten Lebensbedingungen für Geflüchtete aus der Ukraine in den einzelnen EU-Ländern unterscheiden sich dabei teils erheblich.

PRO ASYL und Bordermonitoring.eu wollen daher den Blick auf die Situation von Geflüchteten aus der Ukraine in den Nachbarländern der Ukraine richten. Im Rahmen eines gemeinsamen Monitoring-Projekts wollen wir die Situation in Polen, der Slowakei, Ungarn, Rumänien und dem Nicht-EU-Land Moldau dokumentieren.

Wie funktionieren Einreise, Registrierung und die Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen in diesen Ländern? Wie sind Geflüchtete aus der Ukraine dort untergebracht? Haben sie in der Praxis Zugang zum Arbeitsmarkt? Wie steht es um Sozialleistungen, die Gesundheitsversorgung und den Zugang zu Bildung?

Um Antworten auf diese und weitere Fragen zu finden, werden wir in den nächsten Monaten mehrere Recherchereisen in diese fünf Nachbarländer der Ukraine unternehmen und die verfügbaren Quellen auswerten. Die Ergebnisse unserer Recherchen werden fortlaufend auf einem Blog veröffentlicht. Ausführliche Länderberichte werden zudem auf der Website von PRO ASYL zu finden sein.

Zum Rücktritt des Frontex-Exekutivdirektors Fabrice Leggeri

Nun ist er endlich weg. Der Rücktritt des Exekutivdirektors der europäischen Grenzschutzagentur Frontex, Fabrice Leggeri, war schon lange überfällig und dennoch eine Überraschung. Denn seit dem Bekanntwerden der ersten Vorwürfe gegen die Agentur im Herbst 2020 klebte Leggeri an seinem Posten, zeigte weder Problem- noch Unrechtsbewusstsein und konnte sich scheinbar darauf verlassen, dass weder die EU-Mitgliedstaaten noch die Europäische Kommission Interesse daran hatten, die Agentur durch den Sturz ihres Exekutivdirektors zu schwächen. Denn die Agentur befindet sich aktuell in einer entscheidenden Phase ihrer Transformation zur ersten uniformierten europäischen Polizeieinheit.

Diese signifikante Zäsur im europäischen Projekt ist auch Gegenstand des Schweizer Frontex-Referendums am 15. Mai 2022. Nur vordergründig geht es um die Erhöhung des Schweizer Beitrags zur Agentur auf 61 Mio. Franken. Die tatsächliche Fragestellung ist, ob eine Agentur, die schon jetzt jeglicher demokratischen Kontrolle entzogen ist und die mit Straflosigkeit an den Grenzen Europas agiert, noch weitere Kompetenzen und Personal erhalten soll. Mit dem Rücktritt Leggeris wurde dies nocheinmal untermauert.

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10-Punkte Plan der EU-Kommission

Im Anschluss an ein Treffen der Innenminister_innen der EU am 28. März 2022 präsentierte die Europäische Kommission einen 10-Punkte-Aktionsplan.

An erster Stelle schlägt die Europäische Kommission in diesem die Errichtung einer technischen Plattform zum Austausch von Informationen hinsichtlich der Begünstigten der am 4. März 2022 vom Rat aktivierten Richtlinie 2001/55/EG (sogenannte „Massenzustrom-Richtlinie“) vor.

Als problematisch sieht die Europäische Kommission damit ganz offensichtlich vor allem an, dass bisher keinerlei Mechanismus für einen EU-weiten Datenabgleich (analog zu EURODAC) zur Verfügung steht. Dies wiederum wäre notwendige Voraussetzung dafür, dass die bisher faktisch geltende „free choice“ Option, also die freie Wahl des europäischen Aufnahmestaats durch die ukrainischen Geflüchteten selbst, zukünftig beschränkt werden kann.

In diese Richtung lässt sich auch der Wunsch der Europäischen Kommission interpretieren, eine Übersicht über die relevanten Knotenpunkte des Transits der ukrainischen Geflüchteten zu erstellen und „die Transportangebote aufeinander abstimmen um diese mit den Aufnahmekapazitäten in den Mitgliedstaaten abstimmen“.

Weiterhin strebt die Europäische Kommission – wenig überraschend – eine Stärkung ihrer eigenen Position und die zunehmende Einbindung von EU-Agenturen wie Frontex, dem europäischen Unterstützungsbüro für Asylfragen und der europäische Agentur für das Betriebsmanagement von IT-Großsystemen sowie von EUROPOL an.

Zudem sollen erhebliche EU-Mittel für diejenigen Staaten bereit gestellt werden, in denen sich besonders viele ukrainische Geflüchtete aufhalten und auch die Republik Moldau soll unterstützt werden, die kein EU-Mitglied ist.

Ob es der Europäischen Kommission tatsächlich gelingen wird, anhand der mittlerweile vier Millionen Geflüchteten aus der Ukraine wieder verstärken Einfluss in Asyl- und Migrationsfragen zu gewinnen, wird abzuwarten bleiben. Denn es zeichnet sich bereits ab, dass einige EU-Staaten – insbesondere Polen und Ungarn – wenig Interesse an einer gestärkten Position der Europäischen Kommission in diesem Bereich haben.

Transit in Budapest, Weiterreise nach Deutschland und Grenzkontrollen Frankfurt/Oder

von Marc Speer (bordermonitoring.eu, @bm0eu) und Tobias Klaus (terre des hommes, @tdh_de)

Am Bahnfof Nyugati, einem der drei großen Budapester Bahnhöfe, aus dem die Züge Richtung Osten ankommen, kommt etwa alle ein bis zwei Stunden ein Zug aus Zahony, dem Grenzbahnhof zur Ukraine, an. In jedem dieser Züge befinden sich aktuell 200 bis 500 Geflüchtete aus der Ukraine (Stand: 3. März 2022). Mindestens die Hälfte der Geflüchteten sind ausländische Studierende – etwa aus Indien, Marokko und Nigeria.

In einer Nebenhalle verteilen Ehrenamliche Lebensmittel und Getränke. Privatpersonen bieten auf Schildern Unterkünfte, Internet-Hotspots und Transport an.

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Erste Eindrücke aus der Slowakei

von Marc Speer (bordermonitoring.eu, @bm0eu) und Tobias Klaus (terre des hommes, @tdh_de)

Direkt hinter der ukrainischen Kleinstadt Uschhorod, in welcher etwa 100.000 Menschen leben, befindet sich der Grenzübergang Vyšné Nemecké. Aus der Ukraine flüchtende Menschen können die Grenze hier auch zu Fuß überqueren. Bei unserem Besuch am Mittwoch, den 2. März zeigte sich, dass hier sowohl ausländische Studierende, als auch ukrainische Frauen, viele davon mit Kindern, die Grenze überqueren.

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