Nun ist er endlich weg. Der Rücktritt des Exekutivdirektors der europäischen Grenzschutzagentur Frontex, Fabrice Leggeri, war schon lange überfällig und dennoch eine Überraschung. Denn seit dem Bekanntwerden der ersten Vorwürfe gegen die Agentur im Herbst 2020 klebte Leggeri an seinem Posten, zeigte weder Problem- noch Unrechtsbewusstsein und konnte sich scheinbar darauf verlassen, dass weder die EU-Mitgliedstaaten noch die Europäische Kommission Interesse daran hatten, die Agentur durch den Sturz ihres Exekutivdirektors zu schwächen. Denn die Agentur befindet sich aktuell in einer entscheidenden Phase ihrer Transformation zur ersten uniformierten europäischen Polizeieinheit.
Diese signifikante Zäsur im europäischen Projekt ist auch Gegenstand des Schweizer Frontex-Referendums am 15. Mai 2022. Nur vordergründig geht es um die Erhöhung des Schweizer Beitrags zur Agentur auf 61 Mio. Franken. Die tatsächliche Fragestellung ist, ob eine Agentur, die schon jetzt jeglicher demokratischen Kontrolle entzogen ist und die mit Straflosigkeit an den Grenzen Europas agiert, noch weitere Kompetenzen und Personal erhalten soll. Mit dem Rücktritt Leggeris wurde dies nocheinmal untermauert.
Angesichts des russischen Angriffs auf die Ukraine ist zu befürchten, dass eine Vielzahl von Ukrainer_innen durch die Kriegshandlungen vertrieben wird und sie somit zu Geflüchteten werden. Selbstverständlich ist es Aufgabe der Europäischen Union, diese Schutzsuchenden schnell und unbürokratisch aufzunehmen und unterzubringen.
Wir freuen uns sehr, heute zwei neue Berichte vorstellen zu können, die über die letzten Monate entstanden sind.
Querung des Kanals
Thomas Müller, Uwe Schlüper und Sascha Zinflou haben einen zweiten Bericht zur Situation in Calais, unter besonderer Berücksichtigung des Brexit verfasst. Zum Bericht
Gefangene des Deals
Valeria Hänsel hat in ihrem Bericht zur Situation auf der griechischen Hotspot-Insel Lesbos, der sich auf rund drei Jahre Forschung vor Ort stützt, herausgearbeitet, wie das europäische Asylsystem von den Rändern erodiert. Zum Bericht
Beide Berichte werden auch im Druck erscheinen, Bestellungen sind unter unserer Email-Adresse office@bordermonitoring.eu möglich. Der Bericht zu Calais kostet 7 EUR, der Bericht zu Lesbos 9 EUR. Wiederverkäuferrabatt auf Anfrage.
This book gathers chapters derived from the papers presented at the conference about Balkan refugee corridor held on 14 and 15 June 2016 in Zagreb, Croatia. The conference was organized by the Center for Peace Studies, Center for Ethnicity, Citizenship and Migration of the Faculty of Political Science of the University of Zagreb, Welcome! Initiative / Inicijativa Dobrodošli! and the Institute of Ethnology and Folklore Research. The intention of the conference was to open up space for presenting and connecting disciplinary and thematically diverse empirical research on various aspects of mass transcontinental migration across the Balkans towards Europe in 2015. The conference was focused on, till then unprecedented, movement of people which was blocked several months earlier as a result of numerous political decisions, agreements, and strategic, physical and technological interventions. During the conference, twelve studies in different research phases were presented, as well as an artistic project. Moreover, a panel on comparative integration policies with four presentations was held. Detailed summaries of the panel presentations were distributed over the volunteers’ platform of the Welcome! Initiative. Ongoing research studies that had been presented at the conference were written in the upcoming months and prepared for this book first published in Croatian language in 2017. This book, now also in English translation, is our common attempt to describe and critically rethink Balkan refugee corridor and the ways in which global migration policies and practices have been adapted, established and collapsed in a specific time and space.
Zwischen Frankreich und Großbritannien hat sich ein rigides Grenzregime innerhalb der EU entwickelt, das so sonst nur an den EU-Außengrenzen zu finden ist. Die Hafenstadt Calais bildet das Zentrum dieses Grenzregimes, ist aber zugleich Transit- und Lebensort von Migrant_innen auf ihrem Weg nach Großbritannien. Seit Langem bilden sich dort informelle Camps – die Jungles –, die in den 2000er Jahren zu komplexen multiethnischen Siedlungen anwuchsen und zuletzt zu einer urbanen Siedlung mit über zehntausend Bewohner_innen wurden. Calais wurde zu einem viel beachteten Laboratorium für migrantisch-solidarische und zivilgesellschaftliche Politik und Kultur, aber auch für die technische, polizeiliche und symbolische Aufrüstung der Grenze. Der vorliegende Band beschreibt die Dynamiken dieser Entwicklung von den 1980er Jahren bis zur Zerstörung des größten Jungle im Herbst 2016, der Rückkehr der Migrant_innen nach Calais im Jahr 2017 und der Neujustierung des Grenzregimes durch den britisch-französischen Vertrag von Sandhurst im Januar 2018.
Download, Bestellung und weitere Informationen auf der Seite des Berichts.
In spring 2016, after the formalized corridor across the Balkans was closed entirely, the informal refugee camp in Idomeni (at the border between the Greece and the Republic of Macedonia) was captured in the media glare for months. The story of Idomeni is, however, much more than the spectacle of a few months of human suffering and humanitarian aid. It started long before and continues until today. In the first chapter, it is described, how, and why, Idomeni became an important site of transit migration, with a growing number of migrants using the Idomeni region to leave Greece clandestinely from as early as 2010. In chapter two, it is shown how the situation in Idomeni changed, when one South-East European government after another implemented formal procedures for transit migrants to pass through their countries. Another turning-point in the history of Idomeni is marked by the gradual closure of the formalized corridor, beginning in November 2015, until the final eviction of Idomeni in May 2016. The strategy of the Greek government, aiming to replace the informall camps and their anarchical humanitarianism by state-controlled camps all over Northern Greece is discussed in the third chapter.
Vor zwei Jahren kamen hunderttausende Flüchtlinge während des langen Sommers der Migration über die Türkei, Griechenland und den Balkan vor allem nach Deutschland. Dort wurden sie zunächst in einer unerwarteten Welle der Solidarität willkommen geheißen. Zweifelsohne weht der Wind zwischenzeitlich wieder erheblich rauer. Dennoch: Der formalisierte Korridor über den Balkan stellte eine Zäsur im Europäischen Grenzregime dar. Wir würden sogar von seinem temporären Totalzusammenbruch sprechen. Bisher wurden Zustandekommen des formalisierten Korridors, seine geographischen und qualitativen Veränderungen, sowie der Prozess seiner Schließung dennoch nicht zusammenhängend beschrieben. Diese Lücke schließt der vorliegende Bericht, der sich in sechs Phasen untergliedert.
Die erste Phase setzt sich mit der Formalisierung des südlichen Teils des Korridors in Serbien und Mazedonien auseinander. Diese geht der Formalisierung des nördlichen Teils, die in der zweiten Phase thematisiert wird, zeitlich voraus. Daran anschließend wird die geographische Verlagerung des formalisierten Korridors nach Kroatien (dritte Phase) und nach Slowenien (vierte Phase) in den Blick genommen. In der fünften Phase wird die Verengung des Zugangs zum formalisierten Korridor thematisiert, die schlussendlich in seine Schließung mündete (sechste Phase).
Neben der Online-Version wird der Bericht auch als Buch erscheinen. Fördermitglieder und diejenigen, die in den kommenden vier Wochen eine Fördermitgliedschaft abschließen, erhalten den Bericht automatisch zugesandt. Weiterhin sind Bestellungen über die Adresse bestellung[at]bordermonitoring.eu möglich. Preis: 7 Euro zzgl. Versand. Bei größeren Mengen bieten wir einen Wiederverkäuferrabatt an.
Belgrade, the 11th of May 2017: The day that the squatted warehouses behind the Busstation in Belgrade, commonly named as “barracks” were evicted and demolished. This eviction and demolition did not happen out of the blue but falls in line with a number of other developments in the Serbian immigration policy and the adaption of practices of neighbored states on Serbian territory. Therefore, this article aims at reporting on the eviction and demolition of the migrant squat in Belgrade and by doing so, reviewing these policies and practices in a broader frame of political developments. Just as the existence of the barracks is strongly connected to the restabilization of the European Border Regime, the demolition of the same is something that cannot be seen isolated from a broader international frame. In the following, I will outline the occupation of the warehouses as a consequence of tightening borders in the north (1), the situation in the barracks during winter until May 2017 (2), the chronology of the eviction (3), the psychological strategies that were used in the eviction (4) and expectations for further developments in Serbia in general, and Belgrade in particular (5).
Seit einigen Wochen gibt es einen wahren journalistischen Hype um die alten Lagerhallen direkt hinter dem Belgrader Bahnhof. Auf etlichen Bildern [1], in Artikeln [2] und in Videos [3] wurden die Gegebenheiten dokumentiert, unter denen dort etwa 1.000 Geflüchtete – fast ausschließlich Männer, darunter auch viele Minderjährige – seit Wochen und Monaten ausharren. Anfang Februar 2017 reiste auch bordermonitoring.eu wieder nach Serbien. Weniger um ebenfalls die mittlerweile „berühmten“ Lagerhallen zu besuchen, sondern vielmehr, um einerseits einige der anderen Orte zu besuchen, die von Relevanz im gegenwärtigen serbischen Migrationsregime sind. Andererseits aber auch, um zu sehen und zu verstehen, ob bzw. in welcher Form sich die Situation vor Ort seit den Recherchen (im Sommer 2016) für unseren letzten Bericht Governing the Balkan Route: Macedonia, Serbia and the European Border Regime verändert hat.
The growth and development of transit migration along the Balkan route in 2015 and 2016 highlighted the major role Macedonia and Serbia played, not merely as the main countries of passage, but as important buffer areas within the framework of the European border regime. This research paper first examines the development and transformations of Macedonian and Serbian national migration policies and legislation in the past two decades in the light of the EU accession process. It identifies the key historical and geopolitical factors that significantly shaped them, as well as the distinct strategies the two countries pursued in coping with often countervailing EU demands, local socio-political considerations and actual migration movements and practices. The paper proceeds to analyze the gradual establishment of a formalized corridor through the Balkans by tracing the ways in which Macedonia and Serbia strategically positioned themselves in how they governed the transit migration through their territory, dynamically shifting between humanitarianism and securitization throughout the time before the formalized corridor emerged, during its existence, in the process of its closure, and after it was shut down.
politiken, praktiken, ereignisse an den grenzen europas