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Eindrücke aus Melilla

Ein Bericht von Eva Bahl. Eva Bahl ist wissenschaftliche Mitarbeiterin in dem DFG-geförderten Forschungsprojekt „The Social Construction of Border Zones“ und forscht in den spanischen Exklaven Ceuta und Melilla.

Melilla ist aus dem Fokus der medialen Berichterstattung geraten. Grund dafür ist sicherlich in erster Linie, dass der Zaun, für den die Stadt so berühmt-berüchtigt geworden ist, im Moment kaum noch überwunden wird. Während im letzten Jahr ca. 2250 Migrant*innen (meist Männer und aus westafrikanischen Staaten kommend) den „Sprung über den Zaun“ schafften, sind in diesem Jahr bisher nur 142 Männer auf diesem Weg nach Melilla gekommen [1]. Auch im Jahr 2014 machte der Weg über den Zaun nur 38% der illegalisierten Grenzübertritte aus, weit mehr (55%) – meist Syrer*innen – kamen mit gekauften oder gefälschten Pässen über die Grenzübergänge. Die Guardia Civil nennt allerdings die Zahl von 20.000 „versuchten“ Zaunüberquerungen und medial war dieser Weg sicher deutlich präsenter als die falschen Pässe an den Grenzübergängen.
Gründe für die abnehmende Attraktivität des „Sprungs über den Zaun“ sind sicherlich neben dem neu gebauten vierten Zaun (neben den drei spanischen) und einem Graben – beides auf marokkanischer Seite der Grenze – das extrem repressive Vorgehen der marokkanischen Sicherheitskräfte: Im Februar wurde ein Waldcamp auf dem Gourugu-Berg in direkter Nachbarschaft Melillas geräumt, im Juli folgten besetzte Gebäude im Stadtteil Boukhalef in Tanger und im August der besetzte Universitätscampus „La Fac“ in Oujda an der algerischen Grenze. Alles waren zentrale Räume für die migrantische Infrastruktur und Selbstorganisation (wenn auch oft sehr hierarchisch organisiert) im Norden Marokkos. Ein weiterer Faktor, der Risiken und Kosten für die Route über Melilla erhöht hat, ist der Zaun an der algerisch-marokkanischen Grenze. Im Juli 2015 waren bereits 40 km errichtet. Laut Zeitungsberichten kommen inzwischen statt 20 Personen/Woche nur noch ca. 10 Personen/Monat über diese Grenze. Gefahren und Kosten des Grenzübertritts von Algerien nach Marokko sind gestiegen.

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Edirne: refugees demand safe passage to Greece

#CrossingNoMore Solidarity Group, Edirne/Istanbul

We don’t want food, we don’t want water, we don’t want humanitarian help, we want to cross the border by the land. We will cross or die here.

For 5 days in Edirne, Turkey, around 3000 thousands migrants (mostly syrians but also Aghanis, Iraqis and others) gathered, following a call started on a Facebook page („Crossing no more“), to ask for the Turkish-Greek border to be opened for them. They refuse to risk their lives in the Aegean sea anymore to reach a European country where they’ll finally be safe, get basic human rights and have a chance to make a life for themselves.

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Kurzbericht von der kroatisch-serbischen Grenze

Eine Kollegin, die sich in Tovarnik, einem kroatischen Dorf an der kroatisch-serbischen Grenze aufhält, hat uns gerade von der dortigen Situation berichtet. Sie sagt, dass es sich um eine humanitäre Katastrophe handelt.

Ihren Schätzungen zu Folge halten sich am Bahnhof mindestens 2.000 Flüchtlinge auf, im Dorf selber seien es nochmal so viele. Die kroatische Polizei blockiert aber den Zugang zum Dorf, weswegen die Flüchtlinge, unter ihnen viele Kinder und alte Menschen, teilweise schon seit Tagen am Bahnhof verbleiben müssen.

Gestern fuhren zwei Züge mit Flüchtlingen ab, allerdings war nicht bekannt, wohin. Ein Zug kehrte mit den InsassInnen zurück. Als gestern abend ein dritter Zug bereitgestellt wurde, kam es zu Auseinandersetzungen, um Zugang zum Zug zu erhalten. Der Zug fuhr jedoch nicht ab. In einem Waggon ließen sich die Fenster nicht öffnen, und auch die Klimaanlage war abgestellt. Nach den Schilderungen unserer Kollegin waren die Personen im Waggon kurz davor zu ersticken, ein Verlassen war erst nach Intervention möglich, da die Polizei dies zuvor verhinderte.

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#crossingnomore: “We don’t want to drown no more!”

Mathias Fiedler, Istanbul

It has been in planning for some time. While many people are trying to escape at Izmir and Bodrum via boat for quite a long time now. Especially in the warlike areas at the borders with Syria and Iraq, the pogroms against Kurdish civilians and hundreds of HDP offices and Kurdish shops destroyed the hope for many migrants to find a peaceful life in Turkey. Yet, after hearing the good news of thousands welcomed to Europe, people have found new hope.  The group called out for a protest via Social Networks and informed Media and humanitarian organizations about it. The first sentence reads as follows:

Because of the death of too many of our brothers and the fatal risks they have to take to cross the border from Turkey to Greece in order to make a better life for themselves, we are planning to gather at the border around Edirne on 15th of September 2015 and claim for our right to cross it safely.

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Of Hope. Hungary and the long Summer of Migration

This is the english translation of our previously published analysis in German. By Bernd Kasparek and Marc Speer. Translation: Elena Buck

Budapest, Keleti Station, Friday night, September 4th 2015. Just after midnight. Public transit buses arrive, sent by Hungary‘s government to take the refugees who have been camping there for around a week to the Hungarian-Austrian border. Wary that this might be another of the government‘s underhanded tricks, many refugees are initially reluctant and decide to wait. But after a while they begin to board the buses and continue their journey towards the next border. After days of waiting they are on the move again, and after days of searing heat, as if the weather, too, wanted to draw a line under this week of struggles, a soft rain sets in.

In the course of the night and the following day, more than 10.000 refugees cross the Austrian border. Austria and Germany had agreed to let them enter. Many others set out to follow. In this article we recapitulate what has taken place in Hungary and Europe over the last week in order to assess the significance of these events for the future of the European migration and border regime.

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Of Hope. Ungarn und der lange Sommer der Migration

Bernd Kasparek / Marc Speer

Bahnhof Budapest Keleti, in der Nacht von Freitag, 4. September auf Samstag 2015. Kurz nach Mitternacht. Busse des öffentlichen Nahverkehrs kommen an, von Ungarns Regierung geschickt, um die Flüchtlinge, die dort seit rund einer Woche campieren, an die ungarisch-österreichische Grenze zu bringen. Noch misstrauisch, ob es sich erneut um einen hinterhältigen Trick der Regierung handelt, warten viele Flüchtlinge erst einmal ab. Doch langsam besteigen sie die Busse und machen sich wieder auf den Weg, an die nächste Grenze. Nach Tagen des Ausharrens sind sie wieder unterwegs, und nach Tagen brüllender Hitze setzt plötzlich, als ob auch das Wetter einen Schlußstrich unter diese Woche der Kämpfe setzen will, leichter Regen ein.

Im Laufe der Nacht und am darauf folgenden Tag überschreiten mehr als 10.000 Flüchtlinge die österreichische Grenze. Österreich und Deutschland hatten sich bereit erklärt, sie einreisen zu lassen. Viele weitere machen sich auf den Weg. Wir wollen in diesem Artikel rekapitulieren, was sich in der Woche in Ungarn und Europa zugetragen hat und einschätzen, was es für die Zukunft des europäischen Migrations- und Grenzregimes bedeutet.

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Liveticker Budapest Keleti Bahnhof

We stopped to report on the live ticker.

But we will continue to report on Bordermonitoring Hungary

Monday, 7th of September

20:01 Csaba Hende, Minister of defense, has just resigned after the national security cabinet had a meeting about the fence.

13:10 According to Hungarian police, they arrested 2.203 people at the Serbian/Hungarian border in the last 24 hours. Numbers are increasing again.

12:12 From Sunday morning (8 a.m.) to 8 a.m. this morning nearly 13.000 refugees arrived in Munich.

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Asylsystem Österreich. Momentaufnahmen einer repressiven Chaotisierung

Ein Beitrag von Hans-Georg Eberl, aktiv bei Ferries Freedom Not Frontex Vienna, Wien.

Im österreichischen Asylsystem treten aktuell verschiedene Verschärfungen und Umbrüche des europäischen Grenzregimes zu Tage. Dies stellt neue Herausforderungen für selbstorganisiert kämpfende Refugees und ihre Verbündeten. In den aktuellen Entwicklungen verbinden sich repressive und chaotisch und planlos anmutende Momente zu einer Gemengenlage, die für die dieser unterworfenen Menschen belastende und traumatische Auswirkungen hat. Gleichzeitig wird sie aber auch mit einer neuen Welle von Protest, Widerständigkeit sowie alltagssolidarischen Praktiken beantwortet.

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Die Migrationsagenda der Europäischen Union und die Zukunft von Dublin

Eine Analyse von Aida Ibrahim und Bernd Kasparek, erschienen in Hinterland Magazin Nr. 29 (PDF). Die Analyse wurde vor dem EU-Gipfel am 25./26. Juni 2015 fertiggestellt. Wenig überraschend konnte sich die Kommission auf dem Gipfel nicht mit ihrem Quoten-Vorschlag durchsetzen, es wurde lediglich eine freiwillige Umverteilung vereinbart (vgl. tagesschau.de vom 26.6.2015).

Dublin, das Zuständigkeitssystem für Asylverfahren innerhalb der EU, steht schon länger unter Druck. An erster Stelle sind hier natürlich die Flüchtlingen zu benennen, die sich weigern, sich dem technokratischen System zu unterwerfen und sich immer wieder auf den Weg in einen anderen EU-Mitgliedsstaat machen, um dort Aufnahme und Schutz zu suchen. Doch darüber hinaus gab es bisher auch eine unwahrscheinliche Allianz von antirassistischen Aktivist_innen, NGOs, Anwält_innen, europäischen Gerichten und Regierungen aus dem Süden der Europäischen Union, die eine tiefgreifende Reform Dublins forderten. Und dies alles vor der Entwicklung einer zunehmenden Dysfuktionalität des Dublin-Systems. Denn die tatsächlichen Rücküberstellungsquoten sind mittlerweile im niedrigen zweistelligen Prozentbereich angekommen. Zudem ist es ein offenes Geheimnis, dass etwa Italien bestenfalls eine laxe Praxis der Registrierung von Fingerabdrücken in der EURODAC-Datenbak verfolgt, die das technische Herzstück des Dublin-Systems bildet. Folge ist, dass die nordeuropäischen Staaten, die dank Dublin jahrelang von historisch niedrigen Asylantragszahlen profitierten, mittlerweile einen rasanten Anstieg neuer Fälle verzeichnen. Damit stellt sich die Frage nach der Zukunft Dublins derzeit mit Vehemenz.

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