Wie wir schon berichtet haben, hat der Rat für Justiz und Inneres heute die Aktivierung der Massenzustrom-Richtlinie 2001/55/EG beschlossen. Dies bedeutet, dass die EU grundsätzlich ein unkompliziertes und unbürokratisches Verfahren zur Aufnahme von Personen, die durch den Krieg in der Ukraine vertrieben worden sind, umsetzen wird.
Die Richtlinie aus dem Jahr 2001, die bisher noch nicht zur Anwendung kommen wird, sieht einen vorübergehenden Schutzstatus vor, der nicht in einem individuellen Verfahren belegt werden muss. Vielmehr wird durch den Beschluss der Innenminister_innen eine Gruppe von Personen definiert, die Anspruch auf diesen Status haben. Dieser Beschluss ist für die Mitgliedstaaten bindend, und bis auf Dänemark haben auch alle Mitgliedstaaten diese Richtlinie schon lange in nationales Recht überführt. Die Richtlinie garantiert auch Mindeststandards wie das Recht, Arbeit aufzunehmen, Zugang zu Sozialsystemen und Zugang zu Bildung. Initial ist der Schutzstatus auf ein Jahr begrenzt, kann aber auf Beschluss der Innenminister verlängert werden.
Nach dem heutigen Beschluss der Innenminister_innen gilt dieser Schutzstatus für ukrainische Bürger_innen sowie Drittstaatsangehörige, die mit einem internationalen oder nationalem Schutzstatus einen Aufenthalt in der Ukraine hatten. Stichtag ist der 24. Februar 2022. Dies bezieht auch deren Familien mit ein, insofern die Familie schon in der Ukraine Bestand hatte.
Nicht erfasst von dem Schutzstatus nach der Richtlinie sind Drittstaatsangehörige, die einen regulären Daueraufenthalt in der Ukraine hatten und die nicht unter sicheren und beständigen Umständen in ihr Herkunftsland zurückkehren können. Die EU-Mitgliedstaaten können die Gültigkeit der Richtlinie auf diese Gruppe ausweiten oder eine separate nationale Regelung umsetzen, die dieser Gruppe einen angemessenen Schutz gewährt. Die Einbeziehung weiterer Gruppen, wie etwa Studierende aus Drittstaaten oder Arbeitende mit kurzem Aufenthalt, steht den Mitgliedstaaten ebenso frei.
Offenbar gibt es auch den politischen Willen, den Flüchtenden aus der Ukraine die Auswahl des Mitgliedstaates, in dem sie Zuflucht suchen, zu gewähren. Zumindest lassen sich Aussagen der Innenministerin Nancy Faeser im Deutschlandfunk in dieser Hinsicht interpretieren. Tatsächlich sieht der entsprechende Artikel 11 der Richtlinie eine solche Vereinbarung auch vor.
Zeitgleich hat die Europäische Kommission eine Mitteilung veröffentlicht, die Richtlinien für Gestaltung der Grenzkontrollen zur Ukraine (PDF) darstellen.
FAZIT: Mit der Umsetzung der Massenzustrom-Richtlinie hat die EU sich entschlossen, eine solidarische und unkomplizierte Aufnahme von Kriegsflüchtlingen zu ermöglichen. Hoffentlich erweist sich auch diese Entscheidung als eine Zeitenwende in Hinsicht eines europäischen Asylsystems, welches die Schutzsuchenden in den Mittelpunkt stellt.