Anlässlich des Treffens der Innen- und Justizminister*innen der EU am 5. und 6. Dezember 2023 – bei dem es ein weiteres Mal auch um die geplante Reform des »Gemeinsamen Europäischen Asylsystems« (GEAS) gehen wird – hat »terre des hommes« (tdh) eine Studie zu Kinderrechtsverletzungen an den EU-Außengrenzen veröffentlicht. Der Bericht mit dem Titel »Vor Mauern und hinter Gittern« beschreibt die bereits jetzt systematisch stattfindenden Inhaftierungen und Zurückweisungen (»Pushbacks«) von Kindern und Jugendlichen in Ungarn, Bulgarien, Griechenland und Polen und argumentiert, dass damit klare Verstöße gegen die UN-Kinderrechtskonvention einhergehen. Wie der Bericht weiter zeigt, wird die geplante Reform des GEAS nicht zu einer Verbesserung dieser unhaltbaren Situation führen. Vielmehr ist zu befürchten, dass die Kinderrechtsverletzungen an den Außengrenzen sogar noch zunehmen werden.
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Update Bulgarien
von Mathias Fiedler
Bereits seit zehn Jahren dokumentiert der Blog Bordermonitoring Bulgaria die Situation von Geflüchteten in Bulgarien. Der letzte ausführliche Länderbericht erschien im Jahr 2020 unter dem Titel Get out! Zur Situation von Geflüchteten in Bulgarien. Der folgende Artikel gibt einen Überblick über die jüngsten Entwicklungen.
Update Bulgarien weiterlesenNeuer Bericht zu Bulgarien
„Bulgaria is very bad“ ist eine typische Aussage jener, die auf ihrer Flucht bereits etliche Länder durchquert haben. Der Bericht geht der Frage nach, warum Bulgarien seit Langem einen extrem schlechten Ruf unter den Geflüchteten genießt.
Neuer Bericht zu Bulgarien weiterlesenOVG Niedersachsen entscheidet gegen Abschiebung nach Bulgarien
Am 29.01.2018 stellte das Oberverwaltungsgericht Niedersachsen in einem Urteil fest:
1. Es ist mit Art. 3 EMRK unvereinbar, wenn sich ein Asylbewerber, der von staatlicher Unterstützung vollständig abhängig ist und sich in einer gravierenden Mangel- oder Notsituation befindet, staatlicher Gleichgültigkeit ausgesetzt sieht.
2. Eine solche Mangelsituation, der der bulgarische Staat nicht mit geeigneten Maßnahmen begegnet, droht anerkannten Schutzberechtigten bei einer Rücküberstellung nach Bulgarien mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit.
In der Entscheidung greift das Gericht die Punkte Obdachlosigkeit, Arbeitslosigkeit und Verelendung auf. Anerkannte Schutzberechtigte hätten „in der Regel faktisch keinen Zugang zu Wohnraum“ und „zudem große Schwierigkeiten, eine Arbeitsstelle zu erlangen, um die für Wohnraum und den übrigen Lebensbedarf benötigten Mittel zu erwirtschaften“. Dies führe zur „Gefahr der Verelendung, da auch kein Zugang zu Sozialhilfe besteht.“
Nicht nur von zahlreichen Menschenrechtsorganisationen, sondern auch von der Europäischen Kommission war jüngst massive Kritik an den Zuständen geäußert worden. Weiterhin verurteilte der EGMR Bulgarien am 7.12. 2017 wegen eines Verstoßes gegen Artikel 3 (Verbot der unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung) aufgrund der Haftbedingungen, denen eine irakische Familie mit drei Kindern im Jahr 2015 ausgesetzt war.
In Zukunft werden wir relevante Gerichtsentscheidungen, NGO-Berichte und Presseartikel auch in unsere Recherche-Datenbank einpflegen, die sich bisher ausschließlich auf Ungarn bezieht.
Bundesverfassungsgericht untersagt Abschiebung nach Bulgarien
Mit Beschluss vom 29. August 2017 hob das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zuvor ergangene Beschlüsse des VG Minden auf und wies diese zurück. Damit wurde die Abschiebung einer aus Syrien stammenden alleinerziehenden Mutter mit vier minderjährigen Kindern nach Bulgarien vorläufig untersagt. Das BVerfG äußert sich dabei nicht weiter dazu, ob Rückführungen nach Bulgarien grundsätzlich zulässig sind, sondern stellt fest:
Unabhängig davon, ob Abschiebungen nach Bulgarien unter den derzeitigen Bedingungen überhaupt zulässig sind und welche Vorgaben für die Rückführung anerkannt Schutzberechtigter gelten – über diese Fragen wird im vorliegenden Verfahren nicht entschieden-, ist angesichts der Bestimmungen der EU-Aufnahmerichtlinie für besonders schutzbedürftige Personen in Art. 21 ff., der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 17. September 2014 (Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 17. September 2014 – 2 BvR 732/14 -, juris, Rn. 10 ff.) und der Tarakhel-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (Entscheidung vom 4. November 2014 – 29217/12 -) eindeutig, dass den Belangen von Familien mit Kindern besonders Rechnung getragen werden muss. Mit diesem zentralen Vortrag setzt sich das Verwaltungsgericht in den angegriffenen Entscheidungen nicht auseinander […]. Im Anhörungsrügebeschluss setzt sich das Verwaltungsgericht lediglich mit der – kein Abschiebungsverbot begründenden – Krankheit der Beschwerdeführerin […] auseinander. Es hätte sich jedoch aufgedrängt, zu den Voraussetzungen Stellung zu nehmen, unter denen es einer alleinerziehenden Mutter mit vier Kindern, von denen das jüngste vier Jahre alt ist, in einer Flüchtlingen ablehnend gegenüber stehenden Umgebung zumutbar ist, zunächst auf der Straße zu leben. Hieran ändert auch die nur durch Einzelfälle einer erfolgreichen Wohnungssuche begründete Erwartung des Verwaltungsgerichts nichts, dass es nach einiger Zeit eine Möglichkeit für die Familie geben könnte, eine Wohnung zu finden.
Mathias Fiedler vom Projekt Bordermonitoring Bulgaria stellt hierzu fest: „Das BVerfG tut gut daran, die Entscheidungen des VG Minden zurückzuweisen. Aber nicht nur Familien, sondern auch alleinstehende Schutzberechtigte sind in Bulgarien massiv von Obdachlosigkeit bedroht und haben so gut wie keine Chance, sich in die Gesellschaft zu integrieren. Zwar hat die Regierung die formellen Voraussetzungen geschaffen, damit Gemeinden Integrationsvereinbarungen abschließen können, allerdings geschah dies in der Praxis bisher so gut wie nie“.
Weitergehende Informationen zu Bulgarien finden sich hier
Bericht zu Bulgarien
Bericht zur Situation der Flüchtlinge in Bulgarien
bordermonitoring.eu freut sich, auf das Erscheinen unseres neuesten Berichts hinweisen zu können.
Trapped in Europe’s Quagmire: The situation of asylum seekers and refugees in Bulgaria wurde von vier Forscher_innen im Rahmen des Projekts Bordermonitoring Bulgaria erstellt und beschreibt, warum sich Asylbewerber_innen und Flüchtlinge in Bulgarien in einer extrem schwierigen Situation befinden.
Themen des Berichts:
- Push-Backs und Gewalt an der Grenze
- Überfüllte Lager und die Produktion von Obdachlosigkeit
- Integration: Ausschluß in einem Zustand des Chaos
- Xenophobie und rassistische Übergriffe: Institutionen, die extreme Rechte und Gewalt auf der Straße
- Asyl: Die Meinung der Rechtsexpert_innen
- Europas Unerwünschte: Einschränkungen der Bewegungsfreiheit
Das Projekt Bordermonitoring Bulgaria spricht sich gegen (Dublin-)Überstellungen nach Bulgarien aus, solange Flüchtlinge dort keine menschenwürdige Behandlung erfahren. Das Projekt wird auch in Zukunft die Entwicklungen in Bulgarien beobachten und dokumentieren.
Der englischsprachige steht hier zum Download bereit.
Update (22.12.2014): Der Bericht ist mittlerweile auch in deutscher Übersetzung erschienen.