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Bundesweite Wanderausstellung: Yallah!? Über die Balkanroute

Im November wird die Wanderausstellung „yallah!? über die Balkanroute“ in Göttingen eröffnet, die im Laufe der nächsten Monate noch in anderen Städten zu sehen sein wird. In der Ankündigung der Ausstellung heißt es:

Nach und nach rücken der Sommer 2015, der „March of Hope“ von Budapest nach Österreich und die „Willkommen!“ rufenden Menschen an deutschen Bahnhöfen immer weiter in die Ferne. Während 2015 die geöffneten Grenzen die Stimmung elektrisiert haben, ist die heutige Debatte zum Thema Flucht immer öfter dominiert von Diskussionen über Grenzsicherung, Terror und rassistischen Perspektiven. Dem entgegen soll mit dieser Ausstellung der „langen Sommer der Migration“ 2015 und die Öffnung eines Korridors durch Süd-Osteuropa als relevantes politisches und historisches Ereignis festgehalten und gut aufgearbeitet einem breiten Publikum zugänglich gemacht werden. Die Ausstellung rückt zwei Jahre später Geflüchtete als Hauptakteur_innen wieder in den Vordergrund und zeigt mit zahlreichen Audio-, Foto- und Videoaufnahmen sowie Kunstwerken ihre Sichtweisen auf Migration und Europa.

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Bordermonitoring.eu trug zu der Ausstellung eine  interaktive Timeline bei, die den Zusammenbruch und die darauf folgende Restrukturierung des Europäischen Grenzregimes auf dem Balkan visualisiert: Von der Einführung des „72-Stunden-Papiers“ im Mazedonien im Juni 2015 bis zur Räumung des informellen Camps in Idomeni im Mai 2016.

Bundesverfassungsgericht untersagt Abschiebung nach Bulgarien

Mit Beschluss vom 29. August 2017 hob das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zuvor ergangene Beschlüsse des VG Minden auf und wies diese zurück. Damit wurde die Abschiebung einer aus Syrien stammenden alleinerziehenden Mutter mit vier minderjährigen Kindern nach Bulgarien vorläufig untersagt. Das BVerfG äußert sich dabei nicht weiter dazu, ob Rückführungen nach Bulgarien grundsätzlich zulässig sind, sondern stellt  fest:

Unabhängig davon, ob Abschiebungen nach Bulgarien unter den derzeitigen Bedingungen überhaupt zulässig sind und welche Vorgaben für die Rückführung anerkannt Schutzberechtigter gelten – über diese Fragen wird im vorliegenden Verfahren nicht entschieden-, ist angesichts der Bestimmungen der EU-Aufnahmerichtlinie für besonders schutzbedürftige Personen in Art. 21 ff., der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 17. September 2014 (Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 17. September 2014 – 2 BvR 732/14 -, juris, Rn. 10 ff.) und der Tarakhel-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (Entscheidung vom 4. November 2014 – 29217/12 -) eindeutig, dass den Belangen von Familien mit Kindern besonders Rechnung getragen werden muss. Mit diesem zentralen Vortrag setzt sich das Verwaltungsgericht in den angegriffenen Entscheidungen nicht auseinander […]. Im Anhörungsrügebeschluss setzt sich das Verwaltungsgericht lediglich mit der – kein Abschiebungsverbot begründenden – Krankheit der Beschwerdeführerin […] auseinander. Es hätte sich jedoch aufgedrängt, zu den Voraussetzungen Stellung zu nehmen, unter denen es einer alleinerziehenden Mutter mit vier Kindern, von denen das jüngste vier Jahre alt ist, in einer Flüchtlingen ablehnend gegenüber stehenden Umgebung zumutbar ist, zunächst auf der Straße zu leben. Hieran ändert auch die nur durch Einzelfälle einer erfolgreichen Wohnungssuche begründete Erwartung des Verwaltungsgerichts nichts, dass es nach einiger Zeit eine Möglichkeit für die Familie geben könnte, eine Wohnung zu finden.

Mathias Fiedler vom Projekt Bordermonitoring Bulgaria stellt hierzu fest: „Das BVerfG tut gut daran, die Entscheidungen des VG Minden zurückzuweisen. Aber nicht nur Familien, sondern auch alleinstehende Schutzberechtigte sind in Bulgarien massiv von Obdachlosigkeit bedroht und haben so gut wie keine Chance, sich in die Gesellschaft zu integrieren. Zwar hat die Regierung die formellen Voraussetzungen geschaffen, damit Gemeinden Integrationsvereinbarungen abschließen können, allerdings geschah dies in der Praxis bisher so gut wie nie“.

Weitergehende Informationen zu Bulgarien finden sich hier

Die Geschichte des formalisierten Korridors. Erosion und Restrukturierung des Europäischen Grenzregimes auf dem Balkan

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Vor zwei Jahren kamen hunderttausende Flüchtlinge während des langen Sommers der Migration über die Türkei, Griechenland und den Balkan vor allem nach Deutschland. Dort wurden sie zunächst in einer unerwarteten Welle der Solidarität willkommen geheißen. Zweifelsohne weht der Wind zwischenzeitlich wieder erheblich rauer. Dennoch: Der formalisierte Korridor über den Balkan stellte eine Zäsur im Europäischen Grenzregime dar. Wir würden sogar von seinem temporären Totalzusammenbruch sprechen. Bisher wurden Zustandekommen des formalisierten Korridors, seine geographischen und qualitativen Veränderungen, sowie der Prozess seiner Schließung dennoch nicht zusammenhängend beschrieben. Diese Lücke schließt der vorliegende Bericht, der sich in sechs Phasen untergliedert.

Die erste Phase setzt sich mit der Formalisierung des südlichen Teils des Korridors in Serbien und Mazedonien auseinander. Diese geht der Formalisierung des nördlichen Teils, die in der zweiten Phase thematisiert wird, zeitlich voraus. Daran anschließend wird die geographische Verlagerung des formalisierten Korridors nach Kroatien (dritte Phase) und nach Slowenien (vierte Phase) in den Blick genommen. In der fünften Phase wird die Verengung des Zugangs zum formalisierten Korridor thematisiert, die schlussendlich in seine Schließung mündete (sechste Phase).

Neben der Online-Version wird der Bericht auch als Buch erscheinen. Fördermitglieder und diejenigen, die in den kommenden vier Wochen eine Fördermitgliedschaft abschließen, erhalten den Bericht automatisch zugesandt. Weiterhin sind Bestellungen über die Adresse bestellung[at]bordermonitoring.eu möglich. Preis: 7 Euro zzgl. Versand. Bei größeren Mengen bieten wir einen Wiederverkäuferrabatt an.

Report on the evictions of the squatted warehouses in Belgrade

Von Mai-Britt Ruff

Belgrade, the 11th of May 2017: The day that the squatted warehouses behind the Busstation in Belgrade, commonly named as “barracks” were evicted and demolished. This eviction and demolition did not happen out of the blue but falls in line with a number of other developments in the Serbian immigration policy and the adaption of practices of neighbored states on Serbian territory. Therefore, this article aims at reporting on the eviction and demolition of the migrant squat in Belgrade and by doing so, reviewing these policies and practices in a broader frame of political developments. Just as the existence of the barracks is strongly connected to the restabilization of the European Border Regime, the demolition of the same is something that cannot be seen isolated from a broader international frame. In the following, I will outline the occupation of the warehouses  as a consequence of tightening borders in the north (1), the situation in the barracks during winter until May 2017 (2), the chronology of the eviction (3), the psychological strategies that were used in the eviction (4) and expectations for further developments in Serbia in general, and Belgrade in particular (5).

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„You wouldn’t survive a single night here“ – Zur aktuellen Situation in Serbien

Von Marlene Becker und Marc Speer

Einleitung

Seit einigen Wochen gibt es einen wahren journalistischen Hype um die alten Lagerhallen direkt hinter dem Belgrader Bahnhof. Auf etlichen Bildern [1], in Artikeln [2] und in Videos [3] wurden die Gegebenheiten dokumentiert, unter denen dort etwa 1.000 Geflüchtete – fast ausschließlich Männer, darunter auch viele Minderjährige – seit Wochen und Monaten ausharren. Anfang Februar 2017 reiste auch bordermonitoring.eu wieder nach Serbien. Weniger um ebenfalls die mittlerweile „berühmten“ Lagerhallen zu besuchen, sondern vielmehr, um einerseits einige der anderen Orte zu besuchen, die von Relevanz im gegenwärtigen serbischen Migrationsregime sind. Andererseits aber auch, um zu sehen und zu verstehen, ob bzw. in welcher Form sich die Situation vor Ort seit den Recherchen (im Sommer 2016) für unseren letzten Bericht  Governing the Balkan Route: Macedonia, Serbia and the European Border Regime verändert hat.

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Governing the Balkan Route: Macedonia, Serbia and the European Border Regime

Together with the Rosa Luxemburg Stiftung Southeast Europe, bordermonioring.eu e.V. recently published a report on the Balkan Route:

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The growth and development of transit migration along the Balkan route in 2015 and 2016 highlighted the major role Macedonia and Serbia played, not merely as the main countries of passage, but as important buffer areas within the framework of the European border regime. This research paper first examines the development and transformations of Macedonian and Serbian national migration policies and legislation in the past two decades in the light of the EU accession process. It identifies the key historical and geopolitical factors that significantly shaped them, as well as the distinct strategies the two countries pursued in coping with often countervailing EU demands, local socio-political considerations and actual migration movements and practices. The paper proceeds to analyze the gradual establishment of a formalized corridor through the Balkans by tracing the ways in which Macedonia and Serbia strategically positioned themselves in how they governed the transit migration through their territory, dynamically shifting between humanitarianism and securitization throughout the time before the formalized corridor emerged, during its existence, in the process of its closure, and after it was shut down.

Two new video clips from Moving Europe

Many of the 60’000 refugees currently stuck in Greece have a relative, who resides already in Germany or in other EU member states, but those still in Greece are denied the right of family reunification. One keeps them waiting or overwhelms them with bureaucratic requests that can hardly be fulfilled. Simply the initial registration in Greece, which is required for any further requests, can take months. Read the full statement here.

RECENT REPRESSION ON PEOPLE ON THE MOVE IN SERBIA

Since some weeks the Bordermonitoring Serbia Blog is online, where permanently updated information on the constantly changing situation in Serbia can be found.  Below, the first report written by Bordermonitoring Serbia itself. 

Since the 15th of July, the day that prime minister Aleksandar Vučić held a speech [1] about the problems Serbia is facing at the moment, the situation in Serbia for people on the move has become more and more tense. The speech was an awaited response to the legal changes made in Hungary on July 5th (“8 kilometer” push-back law [2]) which set a legal frame for the Hungarian authorities to push back thousands of people to Serbian territory.

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Bericht zu Bulgarien

Die (migrations-)politische Situation in Bulgarien stellt sich häufig als sehr komplex, undurchsichtig und vor allem negativ dar. Der neue Bericht Die Situation für Flüchtende in Bulgarien im Kontext der Schließung des ‚humanitären Korridors‘, veröffentlicht von Moving Europe und Bordermonitoring.eu (Autor: Mathias Fiedler) wirkt dem entgegen. Er enthält, neben anderem, sowohl Informationen zur aktuellen Situation an den Grenzen Bulgariens, als auch zu den offenen und geschlossenen Flüchtlingslagern im Land. Als PDF (mit sämtlichen Quellenangaben) lässt sich der Bericht hier herunterladen.

GÄNZLICH UNERWÜNSCHT. Entrechtung, Kriminalisierung und Inhaftierung von Flüchtlingen in Ungarn.

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Der von bordermonitoring.eu und Pro Asyl gemeinsam veröffentlichte Bericht zeichnet im ersten Teil zunächst die Entwicklungen von Beginn des Jahres 2015 bis zum Frühjahr 2016 nach. Im zweiten Teil wird detailliert auf die beiden Gesetzespakete eingegangen, die im Sommer 2015 verabschiedet wurden und das individuelle Asylrecht in Ungarn faktisch abgeschafft haben – insbesondere durch die Erklärung Serbiens zum „sicheren Drittstaat“. Der dritte Teil geht auf die Inhaftierung von Asylsuchenden ein. Der vierte Teil beschreibt den staatlichen Umgang mit Dublin-Rückkehrern sowie zurückgeschobenen Personen mit Schutzstatus und die Bedingungen, mit denen sie in Ungarn konfrontiert sind.