Transit in Budapest, Weiterreise nach Deutschland und Grenzkontrollen Frankfurt/Oder

von Marc Speer (bordermonitoring.eu, @bm0eu) und Tobias Klaus (terre des hommes, @tdh_de)

Am Bahnfof Nyugati, einem der drei großen Budapester Bahnhöfe, aus dem die Züge Richtung Osten ankommen, kommt etwa alle ein bis zwei Stunden ein Zug aus Zahony, dem Grenzbahnhof zur Ukraine, an. In jedem dieser Züge befinden sich aktuell 200 bis 500 Geflüchtete aus der Ukraine (Stand: 3. März 2022). Mindestens die Hälfte der Geflüchteten sind ausländische Studierende – etwa aus Indien, Marokko und Nigeria.

In einer Nebenhalle verteilen Ehrenamliche Lebensmittel und Getränke. Privatpersonen bieten auf Schildern Unterkünfte, Internet-Hotspots und Transport an.

Am Bahnhof Nyugati
Am Bahnhof Nyugati
Am Bahnhof Nyugati

Am Bahnhof stehen Sonderbusse bereit, die Geflüchtete zum Flughafen und zum Bahnhof Keleti bringen, also jenem Bahnhof, der im Zuge des Sommers der Migration im Jahr 2015 weltweite Berühmtheit erlangte und von dem aus die Züge Richtung Westen abfahren. Weitere Busse stehen als temporärer Aufenthaltsort zur Verfügung, in denen sich Menschen aufwärmen können.

Am Bahnhof Nyugati
Am Bahnhof Nyugati
Am Bahnhof Nyugati
Am Bahnhof Nyugati

Am Bahnhof Keleti wurde ebenfalls eine rudimentäre humanitäre Infrastruktur etabliert, es gibt Essen, Getränke und die Möglichkeit Handys zu laden.

Vor dem „International Ticket Office“ warten vor allem ausländische Studierende in der Schlange. Studierende bitten uns um Unterstützung bei der Organisation und zum Teil auch der Finanzierung der Weiterreise sowie um Hotspots, um mit Freunden und Angehörigen zu telefonieren.

Sie wollen in unterschiedliche EU-Länder weiterreisen. Studierende aus Marokko berichten, dass sie nach Deutschland, Italien und Frankreich weiterreisen wollen, da sie dort Angehörige und Freunde haben. Zwei Medizinstudenten aus Nigeria wollen ebenfalls nach Deutschland und hoffen, dort Weiterstudieren zu können.

Am Bahnhof Keleti

Im „International Ticket Office“ erhalten nach Auskunft von Helfer*innen sowohl ukrainische Staatsbürger*innen als auch Drittstaatler kostenfreie Tickets für die Weiterreise nach Österreich oder Deutschland. Die marokkanischen Studenten, die wir begleiten sollen am Schalter jedoch für ihr Ticket zahlen. Ob dies grundsätzlich gilt oder dies lediglich dem Unwillen der Mitarbeiterin geschuldet war, können wir nicht in Erfahrung bringen.

Am Bahnhof Keleti
Warteschlange zum International Ticket Office am Bahnhof Keleti

Einer der Autoren dieses Berichts entschied sich daher, Tickets für einige Studierende zu kaufen und mit ihnen gemeinsam im Nachtzug nach Berlin zu fahren.

Die Fahrt führt durch die Slowakei und Polen, es werden drei Ländergrenzen passiert. Passkontrollen finden an den Grenzen zur Slowakei und Polen nicht statt. Am Bahnhof Frankfurt an der Oder bestiegen jedoch deutsche Bundespolizist*innen den Zug und kontrollierten Pässe. Ukrainische Staatsbürger dürfen weiterreisen, auch die marokkanischen Studierenden dürfen im Zug bleiben, da sie einen Pass mit einem Visum für die Ukraine vorlegen können.

Geflüchtete Drittstaatler, die keinen Pass mit Visum für die Ukraine vorlegen können, werden in Frankfurt an der Oder von der Bundespolizei aus dem Zug geholt. Es findet jedoch keine Zurückweisung nach Polen statt. Nach Auskunft von Bundespolizisten werden die Geflüchteten zur „Registrierung“ gebracht – vermutlich in eine Aufnahmeeinrichtung in Brandenburg. [Im Zuge der polnischen Pushback-Kampagne an der Grenze zu Belarus im letzten Jahr hat die Bundespolizei eine Registrierungsstraße bei Frankfurt/Oder eingerichtet. Es ist zu prüfen, ob diese noch existiert und nun genutzt wird. Damals ging es vor allem darum, die Erstaufnahmeeinrichtung in Eisenhüttenstadt zu entlasten.]

Mindestens 50 Personen müssen den Zug verlassen. Nach Auskunft von Mitreisenden unter anderem Student*innen aus Nigeria, Kenia und Marokko. Sie haben zwar ukrainische Aufenthaltskarten bei sich, diese reichen der Bundespolizei jedoch nicht.

Ihr Pässe liegen offenbar bei den Uni-Verwaltungen in der Ukraine. Bereits in Budapest sowie am Grenzübergang Zahony hatten uns Studierende berichtet, dass sie keine Pässe bei sich haben, da diese kurz vor Ausbruch des Krieges für die Registrierung für das nächste Semester abgegeben werden mussten und sie vor ihrer Flucht keine Möglichkeit mehr hatten, diesen zurückzubekommen.

Bundespolizei in Frankfurt an der Oder
Ausländische Studierende ohne Pass werden in Frankfurt an der Oder von der Bundespolizei aus dem Zug geholt

Wir steigen gemeinsam am Ostbahnhof in Berlin aus. Polizeikontrollen finden hier nicht statt. Die Studierenden können alleine weiterreisen bzw. werden von Freunden dort abgeholt.

Nigerianische Studierende, die nicht privat unterkommen können, werden vom Hauptbahnhof aus in eine Aufnahmeeinrichtung gebracht. Mittlerweile sind nach Auskunft des Berliner Flüchtlingsrates die Aufnahmeeinrichtungen in Berlin jedoch überfüllt. Geflüchtete, die nicht Privat unterkommen können, würden daher mittlerweile ohne förmliches Verfahren in Aufnahmeeinrichtungen anderer Bundesländer gebracht.